Qualifizierte Mehrheit

Die qualifizierte Mehrheit ist ein wichtiges Element im Schweizer Gesellschaftsrecht. Sie bezeichnet die Erfordernis, dass für bestimmte, besonders bedeutende Beschlüsse nicht nur eine einfache Mehrheit, sondern ein verstärktes Stimmenverhältnis vorliegen muss. Vor allem bei Kapitalgesellschaften wie der Aktiengesellschaft (AG) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) dient die qualifizierte Mehrheit dem Schutz der Aktionäre oder Gesellschafter bei wesentlichen Beschlüssen – etwa im Fall eines Firmenverkaufs oder bei Kapitalmassnahmen .

Was ist eine qualifizierte Mehrheit? #

Eine qualifizierte Mehrheit liegt vor, wenn mehr als die einfache Mehrheit erforderlich ist – meist zwei Drittel oder drei Viertel der anwesenden Stimmen, abhängig von von Statuten und dem Gegenstand der Entscheidung.

Beispiele für qualifizierte Mehrheiten nach Obligationenrecht (OR):

  • Art. 704 OR (AG): Für wichtige Beschlüsse wie:
    • Änderung des Gesellschaftszwecks
    • Erhöhung oder Herabsetzung des Aktienkapitals
    • Fusion, Spaltung oder Liquidation
    • Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen
      → Erforderlich sind mindestens zwei Drittel der anwesenden Stimmen sowie die absolute Mehrheit des vertretenen Aktienkapitals.
  • Art. 808b OR (GmbH):
    • Für Änderungen der Statuten oder wichtige Strukturveränderungen ist meist eine Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Stimmen, die zugleich die Hälfte des Stammkapitals repräsentieren, erforderlich.

Bedeutung in der Schweizer Unternehmenspraxis #

Die qualifizierte Mehrheit spielt eine Schlüsselrolle in der:

  • Corporate Governance (z. B. Schutz von Minderheitsgesellschaftern)
  • Statutarischen Gestaltung von Entscheidungsprozessen
  • Verhandlung im Rahmen von Unternehmensverkäufen oder Nachfolgeregelungen
  • Strategischen Steuerung bei Investitionen, Kapitalmassnahmen oder Reorganisationen

Sie sorgt dafür, dass weitreichende Entscheidungen nicht gegen den Willen wesentlicher Anteilseigner durchgesetzt werden können – ein häufiges Thema bei mehreren Aktionären/ Gesellschaftern mit unterschiedlichen Interessen.

Rolle bei Bewertung, Verkauf und Nachfolge #

Wer eine Firma verkaufen möchte oder eine Firma bewerten lässt, sollte frühzeitig prüfen:

  • Welche Beschlüsse benötigen eine qualifizierte Mehrheit?
  • Wer verfügt über wie viele Stimmrechte?
  • Gibt es stimmrechtslose Aktien
  • Gib es einen Aktionärbindungsvertrag/ vertraglich abweichende Regelungen
  • Wie ist die Veräusserung von Anteilen geregelt (z. B. Zustimmungsvorbehalte, Vorkaufsrechte)?

Bei einer Unternehmensnachfolge sind diese Aspekte besonders relevant, wenn Beteiligungen auf mehrere Personen verteilt werden oder Minderheitsgesellschafter im Unternehmen verbleiben. Ohne klare Regeln kann es zu Blockaden, Verzögerungen oder Streitigkeiten kommen.

Fazit #

Die qualifizierte Mehrheit ist ein zentraler Mechanismus im Schweizer Gesellschaftsrecht, um wichtige Entscheidungen demokratisch, aber nicht leichtfertig zu treffen. Sie schützt vor übereilten Veränderungen und schafft Vertrauen unter den Beteiligten – besonders in komplexen Situationen wie der Unternehmensnachfolge, beim Firma verkaufen oder bei Strukturveränderungen. Wer rechtzeitig für klare Mehrheitsverhältnisse sorgt, sichert nicht nur Entscheidungsfähigkeit, sondern auch Stabilität und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) #

Was ist der Unterschied zur einfachen Mehrheit?

Eine einfache Mehrheit besteht, sobald mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erzielt wird. Eine qualifizierte Mehrheit erfordert ein höheres Quorum (z. B. 66 %, 75 % oder eine doppelte Mehrheit von Stimmen und Kapital).

Kann man die qualifizierte Mehrheit in den Statuten anpassen?

Ja – in gewissen Fällen kann eine höhere oder tiefere Hürde festgelegt werden, solange sie nicht gegen zwingendes Recht verstösst.

Was passiert, wenn keine qualifizierte Mehrheit zustande kommt?

Der Beschluss ist nicht gültig. Bei kritischen Themen kann das zu Stillstand oder Neuverhandlung führen.

Gilt die qualifizierte Mehrheit auch für Familienunternehmen?

Ja – ganz gleich, ob zwischen den Gesellschaftern ein familiäres Verhältnis besteht oder nicht.

Wie kann man Beschlussfähigkeit sicherstellen?

Durch frühzeitige Information, klare Stimmrechtsverhältnisse, Aktionärsbindungsverträge oder Treuhandmodelle.

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