Yanik Hess
Unternehmensberater bei Transaction Partner AG
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Die Praxis kennt verschiedenste Methoden, um den Wert eines Unternehmens zu ermitteln. Je nachdem welcher Bewertungsansatz zur Anwendung kommt, resultieren am Ende verschiedene Werte. Es gibt daher keinen richtigen oder falschen Unternehmenswert. Vielmehr unterscheiden sich die Werte darin, wie sie interpretiert werden und inwiefern sie im konkreten Fall tatsächlich geeignet sind. Jede Bewertungsmethode hat ihre individuellen Stärken und Schwächen und ist gegebenenfalls mehr oder weniger plausibel. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man mit den verschiedenen Ansätzen vertraut ist und sie situationsgerecht anwenden kann. In dieser Publikation verschaffen wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Methoden der Unternehmensbewertung.
Inhaltsverzeichnis
Substanzwertmethode
Die Methode, die sich am einfachsten anwenden lässt, ist die sogenannte Substanzwertmethode. Bei der Substanzwertmethode stehen die Vermögenswerte eines Unternehmens im Vordergrund der Wertermittlung. Diese Methode basiert auf harten Fakten und Zahlen, die relativ einfach zu erheben sind.
Berechnung des Substanzwertes
Beim Substanzwert wird zwischen dem Brutto- und dem Netto-Substanzwert unterschieden. Der Brutto-Substanzwert ermittelt den Gesamtkapitalwert (Eigenkapital + Fremdkapital), während der Netto-Substanzwert den bereinigten Wert des Eigenkapitals wiedergibt.
Um den Brutto-Substanzwert zu ermitteln, werden alle Aktiven der Bilanz summiert. Dieser Wert wird anschliessend um die stillen Reserven und die latenten Steuern bereinigt.
Σ Aktiven (Bilanzsumme)
+ stille Reserven
– latente Steuern
——————————–
= Brutto-Substanzwert
Wird vom Brutto-Substanzwert nun das Fremdkapital abgezogen erhält man den Netto-Substanzwert. Dieser ist der Wert, der für die Preisbestimmung des Unternehmens relevant ist.
Brutto-Substanzwert
– Fremdkapital
——————————–
= Netto-Substanzwert
Der Substanzwert liefert den ersten Referenzpunkt über den Unternehmenswert
Da die Substanzwertmethode übersichtlich und leicht zu verstehen ist, ist sie nach wie vor weit verbreitet. Allerdings ist diese Methode vergangenheits- und gegenwartsorientiert und zeigt nur die Vermögenslage des Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag. Zudem lässt sie die Ertragslage des Unternehmens vollkommen unberücksichtigt: Die Rentabilität und der aktuelle Geschäftsgang, sowie immaterielle Faktoren wie das Entwicklungspotenzial, die Marktpositionierung oder die aktuelle Marktlage fliessen nicht in die Bewertung ein.
Als alleinige Methode reicht die Substanzwertmethode folglich nicht aus, um den Unternehmenswert zu evaluieren. Denn die Substanz allein schafft noch keinen Wert, wenn damit kein entsprechender Ertrag generiert werden kann. Umgekehrt kann unter Umständen auch mit einer tiefen Substanz ein hoher Ertrag erwirtschaftet werden.
Nichtsdestotrotz hat diese Methode in der Praxis ihre Existenzberechtigung: Sie liefert einen ersten Anhaltspunkt für die Bestimmung des Unternehmenswertes und ist Bestandteil der Praktikermethode, die in der Praxis deutlich häufiger zum Einsatz kommt (Details dazu weiter unten). Um den gesamten Wert des Unternehmens zu ermitteln, sollten aber dennoch weitere Methoden herangezogen werden, welche auch die Ertragskraft miteinbeziehen.
Ertragswertmethoden
Nebst der Substanzwertmethode gibt es die Ertragswertmethoden, welchen in der Praxis eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Sie bewerten ein Unternehmen anhand der erwarteten Ertragsströme (Gewinne oder Cash Flows), welche in Zukunft mit der vorhandenen Substanz erwirtschaftet werden. Entsprechend werden die Ertragswertmethoden je nach Art des Ertragsstroms unterschieden: Die sogenannte Discounted-Cash-Flow-Methode basiert auf zukünftigen Cash Flows, während die reine Ertragswertmethode auf den erwarteten Gewinnen aufbaut.
Alle Ertragswertmethoden gründen auf derselben Methodik: Erwartete Ertragsströme, welche das Unternehmen in Zukunft erwirtschaftet, werden auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert. Das grundlegende Argument hierfür ist der Zeitwert des Geldes und das Risiko, mit welchem die Erträge in Zukunft anfallen.
Discounted-Cash-Flow-Methode
Die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF-Methode) ist die am weitesten verbreitete Methode und gilt als Bewertungsstandard. Wie es schon der Name verrät, basiert diese Bewertungsmethode auf den künftigen Cash Flows.
Berechnung der Discounted-Cash-Flows
Zuerst werden die sogenannten Free Cash Flows hergeleitet bzw. prognostiziert. Der Free Cash Flow ist der frei verfügbare Cash Flow, der nach Investitionen ins operative Nettoumlaufvermögen und ins Anlagevermögen übrig bleibt und wird folgendermassen berechnet:
EBIT
– Steuern auf EBIT
+ Nicht liquiditätswirksame Aufwendungen
– Nicht liquiditätswirksame Erträge
– Investitionen ins Nettoumlaufvermögen
– Investitionen ins Anlagevermögen
———————————————————
= Free Cash Flow (FCF)
Anschliessend werden die berechneten Free Cash Flows mittels des WACC auf den Bewertungszeitpunkt diskontiert. Der WACC ist ein steueradjustierter, durchschnittlicher Kapitalkostensatz, welcher sich aus den Renditeansprüchen der Eigen- und der Fremdkapitalgeber zusammensetzt.
Unternehmenswert nach der DCF-Methode
Um nun den Unternehmenswert zu ermitteln, wird ausgehend vom Bewertungszeitpunkt eine Plan-Erfolgsrechnung erstellt. Da die Free Cash Flows nicht bis in alle Ewigkeit geschätzt werden können, werden sie für die nächsten 4-5 Jahre detailliert geschätzt. Die weiter in Zukunft liegenden Free Cash Flows werden mittels eines Residualwerts berücksichtigt. Beim Residualwert wird angenommen, dass der geschätzte Free Cash Flow konstant erwirtschaftet wird und somit als ewige Rente betrachtet werden kann.
Der Brutto-Unternehmenswert setzt sich aus der Summe der Barwerte der Free Cash Flows und dem Residualwert zusammen:
Wird nun davon das Fremdkapital abgezogen, erhält man den Netto-Unternehmenswert:
Reine Ertragswertmethode
Neben der detaillierten DCF-Methode gibt es noch die reine Ertragswertmethode. Der reine Ertragswert ist ein vereinfachter Spezialfall der DCF-Methode. Bei dieser Methode sieht man von einer detaillierten Planung ab und nimmt an, dass ein ewiger Gewinn erzielt werden kann. Dabei wird angenommen, dass es keine Veränderungen im Nettoumlaufvermögen gibt und dass die Investitionen gerade den Abschreibungen entsprechen.
Diskontiert man diesen als ewig angenommenen Gewinn wiederum mit dem WACC, resultiert der Unternehmenswert nach dieser Methode:
Praktikermethode (Mittelwertmethode)
Bei der Praktikermethode wird der Unternehmenswert berechnet, indem ein gewichteter Durchschnitt aus Ertrags- und Substanzwert gebildet wird. In der Schweiz wird üblicherweise der Ertragswert doppelt und der Substanzwert einfach gewichtet.
Diese Bewertungsmethode kommt in der Praxis häufig zur Anwendung, was aber nicht heisst, dass sie deswegen besser ist als die anderen Methoden.
Marktwertmethode
Zur Plausibilisierung des Unternehmenswerts werden die Substanzwert- und die Ertragswertmethoden mit der sogenannten Marktwertmethode ergänzt. Diese Methode analysiert, was bei vergangenen Transaktionen bereits am Markt bezahlt wurde. Dabei werden bestimmte Betriebskennzahlen mit diversen Multiplikatoren (Market Multiples) multipliziert und mit anderen ähnlichen Unternehmen verglichen. Zu den wichtigsten Market Multiples gehören: der Umsatz-, der EBITDA-, der EBIT-, der Reingewinn-Multiple, das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder das Marktwert-Buchwert-Verhältnis.
Berechnung des Unternehmenswerts anhand der Multiples
Der Unternehmenswert entspricht jeweils der Multiplikation der aufgeführten Kennzahl mit den entsprechenden Multiple. Zur Veranschaulichung zwei Beispiele:
Unternehmenswert gemäss Umsatz-Multiple = Umsatz*Umsatz-Multiple
Unternehmenswert gemäss EBITDA-Multiple = EBITDA*EBITDA-Multiple
Erschwerte Vergleichbarkeit
Die Marktwertmethode bringt Theorie und Praxis näher zusammen. Jedoch setzt sie eine intensive Analyse der Branchen- und Marktverhältnisse sowie der Geschäftstätigkeit des zu bewertenden Unternehmens voraus und ist deshalb sehr zeitaufwendig. Besonders bei nicht börsenkotierten Firmen ist diese Methode nicht einfach anzuwenden, weil die Vergleichbarkeit mit ähnlichen Unternehmen schwer herzustellen ist. Die Marktwertmethode dient deshalb vor allem als Indikator für die Grössenordnung des Unternehmenswerts.
Fazit
In der Praxis gibt es vielfältige Ansätze, um ein Unternehmen zu bewerten, weshalb auch nie ein einziger Wert resultiert. Je nach Unternehmen, Branche und Anlass, eignen sich gewisse Methoden besser als andere. Üblicherweise werden Unternehmen mit einem Bewertungsmix der relevanten Ansätzen bewertet. Denn bei der Unternehmensbewertung geht es nicht da-rum, den absolut richtigen Wert zu finden. Vielmehr geht es darum, eine Wertebandbreite zu bestimmen, welche den sowohl den intrinsischen Wert eines Unternehmens sowie einen nach aussen kommunizierten Kaufpreis jederzeit nachvollziehbar erklären lässt.
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Nachvollziehbare Prognosen über die zukünftige Geschäftsentwicklung eines Unternehmens spielen eine entscheidende Rolle im Rahmen einer Unternehmensbewertung. Durch eine sorgfältige Analyse der individuellen Faktoren eines Unternehmens wird die Grundlage für präzise Annahmen gelegt, was wiederum die Genauigkeit und Objektivität der Gesamtbewertung maßgeblich beeinflusst.
Der WACC ist der gewichtete Durchschnitt der Kapitalkosten und berücksichtigt Eigen- und Fremdkapitalkosten. Zur Berechnung werden die Prozentsätze des Eigen- und Fremdkapitals sowie die Kosten des jeweiligen Kapitals einbezogen. In Bezug auf die Unternehmensbewertung dient der WACC als Diskontierungssatz für zukünftige Cashflows und reflektiert somit den erforderlichen Renditeanspruch der Kapitalgeber, was entscheidend für die Bestimmung des Unternehmenswerts ist.
Die Bewertung von KMU kann sich aufgrund begrenzter Vergleichsdaten, limitierter Transparenz und mangelnder Datenqualität zusätzlich herausfordernd gestalten. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, empfiehlt es sich, die Qualität der Unternehmensbewertung anhand eines Methodenmixes zu verbessern. Eine gründliche Bewertung anhand verschiedener Bewertungsmethoden ist entscheidend, um eine umfassende und realistische Unternehmensbewertung zu gewährleisten.
Die Ertragswertmethode berücksichtigt die zukünftige Ertragskraft eines Unternehmens und ist daher besser für wachstumsorientierte Unternehmen geeignet. Im Gegensatz dazu fokussiert sich die Substanzwertmethode auf den materiellen Wert der Vermögenswerte und kann bei Unternehmen mit beträchtlichen immateriellen Werten oder signifikantem Wachstumspotenzial von zukünftigen Erträgen limitiert sein. Grundsätzlich empfiehlt es sich, Unternehmen mit einem Bewertungsmix der relevanten Ansätze zu bewerten.
Über den Autor
Yanik Hess
Unternehmensberater bei Transaction Partner AG
Mit langjähriger Erfahrung in der Finanzbranche kennt Yanik Hess die Themen M&A, Unternehmensbewertung und Strukturierung entlang aller Komplexitätsstufen.